Künstliche Bauchspeicheldrüse – Von grossen Füssen und grossen Spuren
Ist die künstliche Bauchspeicheldrüse vielleicht doch in greifbare Nähe ? Eine kleine Firma mit grossen Füssen lässt erneut hoffen.
Hierzulande taucht das Thema künstliche Bauchspeicheldrüse mit schöner Regelmäßigkeit immer mal wieder in de News auf. Mal wird von riesigen Fortschritten bei der Forschung auf diesem Gebiet berichtet und meist wird kurz darauf die ganze Sache wieder etwas relativiert. Oder es wird berichtet, dass es trotz vereinzelter Erfolge auf dem Gebiet noch lange dauern werde bis erste patiententaugliche Geräte das Licht der Märkte erblicken werden. Als Diabetiker wird man angesichts solcher Meldungen ständig zwischen hoffnungsvoller Euphorie und Resignation hin und her gerissen. Und irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Innovationen auf dem Gebiet meist aus einem anderen anstatt aus unserem Lande stammen. Kann auch gut sein das ich mich hier täusche. Letztendlich ist es mir auch schnuppe woher der grosse Durchbruch vermeldet wird. Wichtig ist erstmal, dass überhaupt daran geforscht wird und es hin und wieder auch Erfolge zu vermelden gibt. Geht mir nur alles nicht schnell genug. Natürlich ist mir klar, Forschung und Entwicklung neuer medizinischer Geräte nur eine Seite der Medaille sind. Auf der anderen Seite gilt es immense Regulatorische und Bürokratische Hürden zu überwinden um das neu entwickelte Wunder Gerät überhaupt bauen zu dürfen.
We are not waiting.
Umso erfrischender finde ich den Ansatz den eine Gruppe Entwickler, (Hobby Bastler, Hacker, Programmierer etc.) an den Tag legen. Frei nach dem Motto, wenn die Industrie uns nicht das liefert was wir wollen, dann bauen wir uns es eben selber. Und zwar aus Komponenten die es schon gibt. So geschehen beim Nightscout Project. Hier wurde Aufgrund der grossen Nachfrage nach einer Echtzeit Glukose Fernüberwachung und des Mangels einer funktionierenden Lösung seitens der Industrie, kurzer Hand selbst eine Lösung geschaffen. Eine Lösung die es z.b. Eltern erlaubt die Blutzuckerwerte ihrer Kinder im Auge zu behalten, während diese in der Schule beim Sport oder wo auch immer sind.
Und als ob das nicht schon genug Beweis für dafür wäre welches Potenzial diese Community hat, nahm bereits eine Weile vor diesem Projekt eine wie ich finde noch unglaublichere Geschichte ihren Anfang.
Die Kräfte von Typ F
Innerhalb dieser Community bewegte sich auch Brian Mazlish. Durch seine Frau (Typ 1 Diabetikerin) hatte er bereits einen Einblick in das was heutzutage moderne Insulin Therapie bedeutet. Er war erstaunt über die doch sehr antiquierten Therapie Werkzeuge und erschrocken über die Tatsache, dass der Bereich Diabetes Technologie so weit hinter dem was heutzutage technisch in anderen Bereichen bereits möglich ist zurück lag. Kurz nachdem im Jahre 2011 einer seine Söhne ebenfalls an Diabetes erkrankte, fand er heraus wie man technisch mit einem CGM (dexcom) kommunizieren und dessen Echtzeitwerte an eine Cloud übermitteln konnte. Von nun an war er in der Lage die Blutzucker Werte seines Sohnes zu überwachen während dieser in der Schule oder beim Sport war oder bei seinen Freunden übernachtete. Und das schon lange bevor das Nightscout Projekt überhaupt gestartet war. Im Laufe der Zeit vefeinerte er sein System indem er einen Algorithmus implementierte der es dem System ermöglichte zukunftige Blutzuckertrends im Voraus zu erkennen und Alarme per Textnachricht an die Eltern zu schicken. Nachdem dieses zuverlässig funktionierte, stellte sich Brian die Frage ob es nicht auch möglich sei mit seinem Algorithmus eine Insulinpumpe zu steuern, ähnlich wie es zuvor in, durch die JDRF finanzierten, wissenschaftlichen Studien erprobt worden war. Nach monatelanger Arbeit war es dann soweit. Brian präsentierte seinen Eigenentwicklung seiner Frau und fragte sie ob sie bereit sei das System unter Real Life Bedingungen zu testen. Nach etwas zögern sagte sie zu und teste das System fast 2 Jahre lang.
Ihre durchweg positiven Erfahrungen mit dem Closed Loop System Marke Eigenbau beschreibt sie in eindrucksvoll diesem Artikel. Die beiden gingen sogar noch einen Schritt weiter und liessen auch ihren Sohn Sam das System tragen, nachdem das User Interface so weit optimiert worden war, dass auch Babysitter, Grosseltern und der 7 jährige Sam leicht damit umgehen konnten. Und auch für Sam brachte das System eine immense Vereinfachung seines Diabetes Managements und seinen Eltern ein immenses Sicherheitsgefühl.
Die gesamte Entwicklung dieses Systems fand heimlich still und Leise in Brian Mazlish´s Hobbykeller statt ohne das die Welt davon etwas mitbekam. Hin und wieder tauschte sich Brian mit anderen Entwicklern der Community aus oder berichtet von seinen Fortschritten. Der Umstand das er dadurch in der Community recht bekannt war, ihn selbst aber bis dato keiner kannte oder zu Gesicht bekommen hatte, brachte ihm den Spitznamen Bigfoot ein.
Um aus seinem “Hobby Projekt”,schlussendlich ein real existierenden Produkt für Menschen mit Typ1 Diabetes werden zu lassen, gründete Brian zusammen mit Investoren und Partnern, allesamt keine Unbekannten im Diabetes Circus, die Firma Bigfoot Biomedical. Und sie haben ehrgeizige Ziele. Schon Ende 2015 soll mit der Produktentwicklung begonnen werden und hoffentlich bereits 2016 soweit abgeschlossen sein, dass erste Studien mit Blick auf eine Einreichung des Produktes bei der FDA gestartet werden können. Erst kürzlich wurde eine Partnerschaft mit Dexcom eingegangen und kurzer Hand die Produktionsstätten des in Schwierigkeiten geratenen Insulinpumpen Hersteller Asante übernommen. Das Tempo mit dem das Team von Bigfoot Biomedical versucht seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen ist beindruckend. Ein tolles und spannendes Projekt von dem in Zukunft sicher noch das ein oder andere zu hören sein wird.
Rita Müllers
5. Juli 2015 @ 11:12
Super Bericht. Bin neugierig auf die weiter Entwicklung. Seit fast 40 Jahren Typ I Diabetes.
burton
5. Juli 2015 @ 11:33
sehr interessante geschichte von bryan und familie… muss aber ehrlich zugeben… für mich hört sich das schon zu schön an um wahr zu sein…
Christoph Lehner
6. Juli 2015 @ 09:01
Immer wieder liest man hoffnungsvolle Berichte von einem erfolgreichen Closed-Loop-System.
Ich fürchte, ein Teil des Erfolges ist auch der Tatsache geschuldet, dass der Algorithmus auf 1-2 Personen (die auch noch verwandt sind) zugeschnitten ist.
Das Problem ist es, einen Algorithmus zu entwerfen, der für Millionen Typ 1er gleichermapßen funktioniert.
Harald
14. August 2015 @ 22:25
Das Problem liegt meines Wissens nicht am Algorithmus sondern an der Ungenauigkeit der Sensoren.
Wir haten hier auf der MedUniGraz eine Studie im Rahmen eine EU-Projekts, wo 12 ProbandInnen ein Closed Lop System über 3 Monate getragen haben. Auch hier steckte keine der großen Firmen dahinter sondenr ein Verbund aus Universitäten und kleineren Unternehmen.
Nähere Infos gibts auf FB, etwas weiter unten im Verlauf 🙂
https://www.facebook.com/CRCGraz