Den Tag der deutschen Einheit verbrachte ich beim Münsterland Giro in Münster und hatte dort Gelegenheit mit dem Profi Radsportler Simon Strobel vom Team Novo Nordisk zu sprechen. Profisport und Diabetes – Wie geht das zusammen ? Diese und andere Fragen beantwortete uns Simon im Interview.
Am vergangenen Freitag fand in Münster zum zehnten Mal der Münsterland Giro statt. Ein Radrennen über eine Strecke von knapp 180 Kilometern zwischen Ibbenbüren und Münster. Wie jedes Jahr nahmen neben unzähligen Hobbyradsportlern auch in diesem Jahr 120 Profi Radfahrer aus 18 Teams und 17 Nationen teil. Darunter auch das Team Novo Nordisk. Ein Profi Radsport Team das nur aus Diabetikern besteht. Mission des Team Novo Nordisk ist es zu zeigen dass auch Profisport mit Diabetes durchaus möglich ist. Und das beweisen die Fahrer des Teams aus 11 Nationen eindrucksvoll. Seit 2014 ist Simon Strobel als einziger deutscher Fahrer mit im Profi Team. Der Münsterland Giro ist für den Humanmediziner das erste Radrennen auf deutschen Boden als Profi Sportler. Vor dem Rennen hatten Manu, Ilka, Finn und ich Gelegenheit mit ihm zu sprechen und bekamen einige Einblicke in das Leben eines Radsportlers.
Ich bin Hobby Radfahrer und hab da hin und wieder Probleme mit dem Diabetes klar zukommen. Du fährst Rad auf Profi Niveau, welche Tips würdest Du mir als Anfänger bzw. Hobby Radler geben ?
Ich glaube die Erfahrung ist es, was den Unterschied macht zwischen einem Hobby- und einem Profi- Radfahrer. Wir machen das jeden Tag wie unsere Arbeit. Dadurch haben wir jede Situation die auftreten kann mindestens schon einmal durchgemacht. Sei es ein plötzlicher Temperatursturz, weil es aus Eimern regnet oder was auch immer. Dementsprechend haben wir, zusammen mit unserem medizinischen Betreuungsteam, für jede mögliche Situation einen Plan ausgearbeitet. Dieser Plan basiert zum einen darauf, dass wir immer Insulin am Mann haben um da sicher zu sein. Und zum anderen auch immer genug Essen dabei haben. Das sollte auch jeder Hobbyfahrer haben damit man, wenn die Tour mal länger dauert nicht auf dem Trockenen fährt. Was uns natürlich den Alltag erleichtert, ist das CGM das wir noch zusätzlich dabei haben. Dadurch können wir schauen wie sich der Trend entwickelt und, je nachdem was ansteht, reagieren bevor etwas schief läuft.
Da hast du meine nächste Frage danach welche Technik ihr einsetzt schon vorweg genommen. CGM Systeme. Würdest du sagen ohne CGM wäre Profisport nicht machbar oder deutlich schwerer ??
Ich glaube Profisport ohne CGM wäre machbar, aber sehr schwierig. Es gab ja schon Profisportler mit Diabetes bevor es CGM Systeme gab und man muss ja sehen, dass die das auch gemeistert haben. Ein CGM erleichtert das natürlich und gibt einem vor allem die Sicherheit. Dank der Alarme die ein CGM bereitstellt und die man sich individuell einstellen kann, hat man die Möglichkeit sich voll auf den Sport zu konzentrieren und bekommt trotzdem mit, wenn etwas aus der Reihe läuft. Deswegen bin ich froh, dass es CGM Systeme gibt.
Nun bist du als Profisportler ja perfekt ausgerüstet mit Pumpe, CGM und hast noch dazu ein ganzes Team das hinter dir her fährt und schaut, dass bei dir alles gut ist. Hobbysportler sind da in der Regel nicht so gut ausgestattet und betreut. Welchen Tipp würdest du Hobbysportlern geben oder was wäre ein guter Ansatzpunkt um mit Diabetes Sport machen zu können?
Es ist für mich jetzt erst das zweite Jahr in dem ich das ganze innerhalb eines professionellen Setups mache. Vorher war ich zwar auch Leistungssportler aber habe alles selber organisiert. Wir hatten nie einen Betreuerstab, ganz zu schweigen von der perfekten Betreuung die wir jetzt haben bis hin zu Pressearbeit. Das ist natürlich super. Ich habe mich am Anfang sehr häufig selbst gemessen. Ich hatte kein CGM aber ich hatte immer mein Messgerät dabei und habe anfänglich jede halbe Stunde meinen Blutzucker kontrolliert und habe vor allem immer alles aufgeschrieben. Das ist auch der Tip den ich jeden mitgeben kann: Schreib auf was du trainiert hast und was du gegessen hast etc.. Dann kann man mal zurückschauen und aus den Fehlern lernen. So habe ich mir das erarbeitet. Wie schon gesagt, immer genügend zu essen dabei haben, auch schnelle Kohlenhydrate. Ganz klar. Ob das jetzt ein Saft ist oder was auch immer bleibt jedem selbst überlassen. Damit kann sich jeder, nachdem ja auch jeder anders ist was den Diabetes und die Reaktion des Körpers auf Sport angeht, seinen Plan erarbeiten.
Das klingt im ersten Moment nach einer Menge mehr Schreibkram für ein bisschen mehr an Freizeitsport.
Ja natürlich. Es ist immer noch Diabetes von dem wir hier reden. Wenn man Sport machen will und es so machen will, dass man keine Probleme hat, muss man am Anfang vielleicht etwas mehr investieren und vorausschauender sein als jemand der einfach die Laufschuhe anzieht und los rennt. Da kann man leider nichts daran ändern. Ich denke, wenn jemand anfängt und vielleicht anfangs nur eine halbe Stunde spazieren geht, das aber mehrmals die Woche macht, hat er nach einer Woche raus was er braucht oder an seinem Diabetes Setup ändern muss um das gut zu überstehen.
Hier kann man einen ungefähren Eindruck davon bekommen wie schnell die Fahrer unterwegs sind.
Hast Du durch deinen Sport den Diabetes besser im Griff oder kannst den Diabetes dadurch besser kontrollieren oder lautet die Devise ” Sport trotz Diabetes” ?
Ich habe auch schon vor meiner Diagnose Sport getrieben aber nicht auf Leistungsniveau. Ich habe unter anderem Tennis gespielt. Durch den Diabetes musste ich meinen Sport mehr strukturieren. Jeder weiß, wenn ich den Sport vorausplane, zu einer gewissen Uhrzeit und in einem festgelegten Umfang, kann ich mich darauf einstellen. Dadurch wurde mein Training immer effektiver. Und ich wurde immer besser, weil ich es strukturiert angegangen bin. Es ist also kein Sport wegen Diabetes. Das würde ich nicht sagen. Ich mach Sport weil es mir Spass macht und glaube, dass wenn Sport zum Zwang wird, dann läuft etwas falsch. Wenn man sich sagt: ” Ich muss jetzt Laufen gehen, damit meine Werte besser werden” kann man damit sicherlich die Motivation etwas anstossen, damit man sich mehr bewegt. Das auf jeden Fall…… aber das es zwanghaft wäre, NEIN.
Gibt es auf den Blutzucker bezogen Unterschiede zwischen normalen Training und Wettkampfphasen ??
Nee. Das Ziel ist ja immer eine bestmögliche Einstellung und es ist gerade für uns als Leistungssportler das wichtigste, dass wir egal ob es im Training oder im Wettkampf ist, möglichst immer gut kontrolliert sind weil die Leistung natürlich auch abnimmt wenn der Blutzucker nach unten oder oben ausschlägt. Deswegen versuchen wir trotz aller Widrigkeiten wie z.b Jetlag, lange Flüge, unbekanntes Essen in fremden Ländern trotzdem den Zucker auf einem Niveau zu halten, das uns die optimale Leistungsfähigkeit ermöglicht. Das Niveau an sich ist aber von Fahrer zu Fahrer unterschiedlich. Der eine bevorzugt es etwas höher, um die Sicherheit zu haben. Andere Fahrer kommen auch klar, wenn es um die 100mg /dl liegt. Das ist sehr individuell.
Verglichen mit dem Boxsport und deren Kampfgewicht gibt es also in deinem Fall nicht so etwas wie einen Wettkampf Hba1c ??
Der Unterschied ist, dass was wir ja nicht viele Ruhetage haben. Wir haben vielleicht mal einen Ruhetag wenn wir einen Flug haben oder was auch immer. Ansonsten trainieren wir ja jeden Tag. Für uns sind die Tage ohne Belastung die schwierigeren Tage. Wir sind einfach an tägliches Training und tägliche Bewegung gewöhnt und deswegen versuchen wir das auch so durch zu ziehen.
Was wäre an so einem Tag ohne Belastung ein typisches Problem ?
An Tagen mit weniger Bewegung geht die Insulin Sensitivität runter. Natürlich isst man ja auch trotzdem etwas und muss dementsprechend die Boli anpassen und die Basalrate im Hinterkopf behalten. Im Prinzip genau wie jemand der zum Beispiel sieben Tage die Woche einen schweren Job auf der Baustelle macht. Der hat am Wochenende auch einen anderen Insulinbedarf.
Ist dir bei einem Rennen wie dem Münsterland Giro auf dem Rad schon einmal was passiert oder etwas aus dem Ruder gelaufen ?? Hypo etc..?
Nein. Ich kann auf Holz klopfen, ich hatte noch nie eine schwere Hypo und seit meiner Erstdiagnose auch keine Ketoazedose. Wir sind im Team so gut betreut, dass auch da immer mal wieder nach gefragt wird: ” Wie sieht´s aus ?? Alles tutti ?”. Und auch im Training fragen wir uns gegenseitig. Man kennt sich ja. Wir sind ein Team aus 18 Fahrern die fast jeden Tag miteinander verbringen. Da erkennt man schon an der Nasenspitze des anderen ob da etwas nach oben oder unten ausschlägt.
Wie läuft bei solch einem Rennen die Kommuniktion mit dem Betreuerteam nutzt ihr Funk ??
Nein. Funk ist leider nur bei den grössten Rennen wie der Tour de France erlaubt. Das läuft alles direkt mündlich. Innerhalb des Teams wird englisch gesprochen. Ich bin leider der einzige deutsche Fahrer, sonst könnte man auch mal deutsch sprechen. Die Fahrer die sich zurückfallen lassen um Flaschen zu holen machen dann die Kommunikation mit dem Teamwagen. Wenn man die rechte Hand mit der Flasche hoch hält bedeutet das man braucht etwas zu trinken. Wenn man nur die rechte Hand hoch hebt ist es ein mechanischer Defekt. Und beide Hände hoch bedeutet man hat gewonnen. Ausserdem sitzt im Teamwagen auch ein Arzt bei dem wir uns auch noch einmal rückversichern können, wenn etwas schief läuft. Aber zum Glück kommt das eigentlich nicht vor.
Werdet ihr bzw. euer BZ während des Rennens vom Teamarzt überwacht ??
Nein. Das ist alles uns überlassen. So etwas ließe sich in einer Rennsituation innerhalb eines 200 Mann Feldes auch gar nicht umsetzten. Es dauert ja auch eine Weile bis man sich zum Teamwagen zurück fallen gelassen hat und man danach sich danach wieder ins Feld vorgearbeitet hat. Das wäre nicht möglich da von hinten zu steuern. Ich glaube jeder Fahrer hat genug Körpergefühl, dass da auch klar ist was zu tun ist. Egal was der Doktor dann auch sagt, man hört letztendlich auf sich selbst.
Wie sah denn dein Support seitens deiner Familie aus als Du anfingst Rennrad auf Hochleistungsniveau zu fahren ? Hat dich Deine Familie unterstützt oder gab es Vorbehalte??
Ich habe den Diabetes nie als Ausrede zählen lassen. Wenn meine Familie fragte ” Bist Du dir sicher dass du das machen möchtest, du hast ja Diabetes” war mein Antwort: ” Ja ich hab das aber deswegen muss ich nicht zurückstecken”. Ich bin damit immer offen umgegangen und auch in der Schule gab es, bis auf dass ich immer essen durfte, auch keine Sonderbehandlung gegenüber meinen Mitschülern. Meine Familie unterstützt mich sehr bei allem was ich tue. Mein Bruder ist selbst ambitionierter Rennradfahrer und hatte mir auch damals den Floh mit meinem ersten Rennrad ins Ohr gesetzt. Ich werde von meiner Familie mit allem unterstützt was geht. Mein Bruder sagt mir halt auch manchmal wenn wir uns streiten “Miss erstmal deinen Zucker, dann können wir drüber reden”. Das gehört halt auch dazu. Aber da gibt es nix, da hält mich keiner zurück.
Gab es ausser beim Essen in der Schule auch andere Situationen bei denen Du die Diabetes Karte ausgespielt hast ??
Ja klar.
War es in Mathe oder in Englisch ??
Ich glaube es war eher in Chemie !
Das war also der erste Teil des Interviews mit Simon Strobel. Den zweiten Teil gibt es drüben bei Ilka und Finn zu lesen. Dort erfahrt ihr unter anderem was Insulin mit Doping zu tun hat. Hier noch ein paar Impressionen von einem tollen Wochenende in Münster.